Hat ITIL den Mittelstand vergessen?
Den Erfahrungen der msg services ag zufolge ist das ITIL-Regelwerk für kleinere IT-Organisation zu komplex und macht Alternative notwendig
Prozessimplementierungen ohne ITIL haben zu deutlich schnelleren Projekten und Kostenersparnissen von bis zu 90 Prozent geführt
(06.07.12) - Nach den Beratungserfahrungen der msg services ag stellt sich das Regelwerk ITIL für den Mittelstand als nicht praxistauglich dar, weil es in seiner Komplexität nur bedingt für die Prozesse in solchen Organisationsverhältnissen anwendbar ist. Die Consultants sprechen sich deshalb für schneller realisierbare Alternativen aus.
"Welcher Mittelständler mit einer IT-Organisation in der Größenordnung von etwa 50 bis 100 Mitarbeitern braucht eine Prozessstruktur, mit der sich die IT eines Dax-Konzerns steuern lässt", verweist Thomas Schürmann auf eine Frage, mit der er von einem mittelständischen Kunden konfrontiert wurde. "Auch diese Unternehmen sind bestrebt, ihre IT-Services prozessorientiert zu gestalten, sehen sich aber einem unverhältnismäßig hohen Aufwand ausgesetzt, der in keinem Verhältnis zum möglichen Nutzen steht", betont der Consultant von msg services.
Er verweist beispielhaft auf ein Projekt aus der eigenen Beratungspraxis in einem Mittelstandsbetrieb. Dort wurde ein ITIL-basierter Prozess für das Asset & Configuration Management implementiert, und zwar mit einem Projektaufwand von eineinhalb Jahren. Was seinen Worten zufolge dort aufgrund spezifischer Anforderungen als Ausnahmefall zwar noch eine Berechtigung hatte, gelte aber keineswegs für die mittelständischen Firmen insgesamt. "Sie verfügen im Gegenteil weder über die wirtschaftlichen Möglichkeiten, mit derartigem Aufwand in einzelne Prozesse zu investieren, noch können sie ihre personellen Ressourcen für einzelne Projekte bereitstellen."
Nach den Erkenntnissen von msg services gibt es allerdings noch weitere mittelstandsfeindliche Aspekte, die sich aus der Komplexität dieses Regelwerks ableiten. Dazu zählt beispielsweise, dass jeder ITIL-Prozess jeweils eine Vielzahl Rollen vorsieht, deren Zahl mitunter höher als die der Prozessbeteiligten ist. "In der Konsequenz entstehen möglicherweise sieben definierte Rollen entlang eines IT-Services, obwohl lediglich drei Mitarbeiter an diesem Prozess beteiligt sind", erläutert Schürmann. Gleichzeitig verweist er auf die Kritik der Unternehmen mit Blick auf den relativ hohen Schulungsaufwand. "Wo die mittelständische Informatikabteilung ihre Prozesse auf einem Dutzend Blätter Papier beschreiben und die Implementierung dokumentieren kann, muss sie sich im Falle von ITIL zunächst durch mehrere Bücher arbeiten und eine Reihe Schulungen durchlaufen."
Solche Rahmenbedingungen sprechen seiner Meinung dafür, mittelgroßen Anwendern eine eigene prozessorientierte Methode anzubieten. Die Berechtigung einer ITIL-Alternative leitet er allein schon daraus ab, dass die Anforderungen in der IT des Mittelstands längst nicht so vielfältig sind wie bei Großunternehmen. Sie beschränken sich auf neun Kernthemen und weisen gleichzeitig meist eine deutlich geringere Tiefe auf. Zudem haben Prozessimplementierungen der msg in kleineren IT-Organisationen ergeben, dass bei Verzicht auf das ITIL-Regelwerk eine ganz erhebliche Minderung des Aufwands entsteht.
"Abhängig vom Prozess können Kostenersparnisse von bis zu 90 Prozent gegenüber klassischen ITIL-Implementierungen entstehen, weil nicht nur das Prozessdesign und die Einführung deutlich schneller gestaltet werden können, sondern sich ebenso der Schulungs- und Dokumentationsbedarf erheblich reduzieren lassen", verweist Schürmann auf die vielfältigen Nutzeneffekte. "Grundsätzlich scheint es möglich, einen klar strukturierten IT-Prozess innerhalb von vier Wochen zu implementieren, also in einem Projektvolumen, das weit unter dem von ITIL liegt." Gerade dies spreche für den Bedarf eines mittelstandsorientierten Methodenwerks für das IT-Service-Management (ITSM). (msg services: ra)
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