Industrie 4.0: Deutschland hinkt Vision hinterher
Studie: Industrielle Vernetzung steckt noch in den Kinderschuhen
Deutsche Traditionsunternehmen laufen Gefahr ins Hintertreffen zu geraten - Hohe Kosten und fehlende Standards erschweren den Umstieg
(16.09.15) - Etwas mehr als vier Jahre ist es her, dass der Begriff "Industrie 4.0" auf der Hannover Messe geprägt wurde. Und langsam aber sicher zeigt sich, woran die Umsetzung in Deutschland bisher krankt. So stolz man hierzulande auch ist, ein Vorreiter in der Diskussion des Themas zu sein, die industrielle Vernetzung steckt 2015 noch in den Kinderschuhen. Inwiefern der fertigende Mittelstand tatsächlich bereit für Industrie 4.0 ist, hat das Marktforschungsinstitut Pierre Audoin Consultants (PAC) im Auftrag der Freudenberg IT in dem jährlichen IT Innovation Readiness Index erhoben.
Positiv ist der steigende Bekanntheitsgrad des Themas Industrie 4.0: Fehlte in den vergangenen Jahren vielen Firmen noch die grundlegende Aufklärung, so sehen sich mittlerweile die meisten mit dem nötigen Know-how gerüstet – nur 19Prozent aller Befragten halten diesen Faktor noch für problematisch (Stand 2014: 27 Prozent). "Die generelle Auseinandersetzung mit dem Thema führt bereits zu einem erhöhten Grundverständnis und auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit effizienter Prozesse hat deutlich zugenommen", so die Einschätzung von Stefanie Naujoks, Analystin bei PAC.
Großkonzerne wie BMW oder VW arbeiten bereits an ihren Produktionsstätten 4.0 und prägen damit das öffentliche Bild. Das täuscht aber nicht über das Hauptproblem hinweg: Dem mittelständischen produzierenden Gewerbe fehlt es an etablierten Standards, nach denen sie ihre Digitalisierungsprozesse ausrichten können. Themen wie Sicherheit, einheitliche Dateiformate oder -übertragungswege existieren bisher meist nur als Tagesordnungspunkte auf Agenden. Dass viele Firmen deshalb die hohen Investitionskosten scheuen, liegt auf der Hand. Der Weg in die Zukunft ist teuer und unklar, keine guten Voraussetzungen für die eher traditionsbewussten Fertigungsbetriebe.
Mehr als jeder dritte Befragte hat daher auch das Gefühl, dass seitens der deutschen Politik zu wenig unternommen wird, um den Weg für kleine und mittlere Unternehmen zu ebnen. Und tatsächlich, in den USA etwa hat sich letztes Jahr das "Industrial Internet Consortium" gegründet, um mit Unterstützung der größten Branchenteilnehmer weltweite Standards zu erarbeiten. Deutschland scheint dagegen auf Kongressen und in Workshops erst mal die Richtung auszuloten. Der 2013 ins Leben gerufene Arbeitskreis "Plattform Industrie 4.0" hat im Vergleich jedenfalls wenig mehr als ein paar gut gemeinte Handlungsempfehlungen hervorgebracht.
Die großen Fragen bleiben ungeklärt
Dass im Januar sogar die sonst so diplomatische Kanzlerin Merkel forderte, in punkto Industrie 4.0 endlich geschlossen in eine Richtung zu gehen, zeigt, wie ernst das Thema geworden ist. Horst Reichardt, CEO der Freudenberg IT, sieht jetzt die Zeit gekommen, aus den Gremien und Workshops herauszutreten. "Die wesentliche Überzeugungsarbeit muss an der Basis der deutschen Wirtschaft geleistet werden. In den Fertigungsbetrieben, die ohne eine klare Vision nicht in der Lage sein werden, die Digitalisierung effizient umzusetzen. Deutschland exportiert bereits seit Jahren IT 4.0, vor allem nach China. Wir haben ausgezeichnete Voraussetzungen, nach dem Hype ist nun die Zeit zu handeln!"
Informationen zur Studie
Für die repräsentative Untersuchung befragte das Marktforschungsinstitut PAC zum dritten Mal rund 130 IT-Entscheider und Produktionsleiter mittelständischer Fertigungsunternehmen in Deutschland. Die befragte Unternehmensgruppe setzt sich aus folgenden Branchen zusammen: Maschinen- und Anlagenbau (30 Prozent), Automotive (28 Prozent) sowie sonstige Fertigung (42 Prozent) mit einer Mitarbeiterzahl von 250 bis 499 (40 Prozent) beziehungsweise 500 bis 4.499 (60 Prozent).
(Freudenberg IT: ra)
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