SaaS: Reseller zeigen eine gefährliche Lethargie


Wird durch SaaS-Lösungen das klassische Softwaregeschäft kannibalisiert?
Längst sind die unabhängigen Softwareanbieter beim Thema SaaS auf den Geschmack gekommen

Hilarius Dreßen
Hilarius Dreßen "Dass Software-as-a-Service (SaaS) aus der Cloud das klassische Softwaregeschäft kannibalisiert, gehört zu den häufig genannten Gefahren der neuen IT-Welt", Bild: ASG

(14.10.11) - Was ist dran an dem Argument, dass Software-as-a-Service (SaaS)-Angebote aus der Cloud das klassische Softwaregeschäft kannibalisieren? Mit dieser Frage setzt sich Hilarius Dreßen, Senior Vice President of Global Channels von ASG, im nachfolgenden Kommentar auseinander.

"Dass Software-as-a-Service (SaaS) aus der Cloud das klassische Softwaregeschäft kannibalisiert, gehört zu den häufig genannten Gefahren der neuen IT-Welt. Tatsächlich sieht es für viele klassische Anbieter so aus, als wäre der Weg in den großen Kochtopf unvermeidbar. Dabei gäbe es im großen IT-Jungle eine Menge Pfade, auf denen keine Gefahr droht und sich stattdessen sogar neue Entwicklungschancen bieten.

Derzeit verhalten sich viele Reseller ausgesprochen abwartend und zeigen eine gefährliche Lethargie. Das ist ein großer Fehler. Cloud Computing und im Speziellen Software-as-a-Service ist schließlich längst über das Stadium der Evaluierung hinausgekommen und hat einen Paradigmenwechsel eingeläutet. Das beweist der enorme Zuspruch und damit das große Wachstum der Anbieter auf diesem Gebiet. Für alle Unternehmen, die als Hersteller, Reseller oder Service Provider als Kern ihres Geschäfts das Thema Software verstehen, ist es also höchste Zeit umzudenken. Statt halbherzig das Thema anzupacken, müssen sie ihr Engagement erheblich intensivieren.

Längst sind die unabhängigen Softwareanbieter beim Thema SaaS auf den Geschmack gekommen. Durch diese Art der Bereitstellung können sie ihre Produkte deutlich einfacher global anbieten und dabei sogar eigene Lösungen aufbauen. Fraglich ist allerdings, ob die Silo-Lösungen der Hersteller langfristig Bestand haben. Schließlich mag sich kaum ein Endkunde bei Arbeitsbeginn in unzählige Portale einloggen, um auf häufig benutzte Anwendungen zuzugreifen.

Chancen bieten also wohl eher Cloud Computing-Architekturen, die das "Federieren" und "Zusammenführen" mehrerer Clouds von der Provisionierung über Single-Sign-on und Single Portal bis hin zur kumulierten Rechnung unterstützen. Darüber hinaus eröffnen sich durch die Cloud Computing-Technologie für zahlreiche Software-Hersteller neue Betätigungsfelder. So erreichen diese mit hoch spezialisierten Angeboten so einfach wie nie zuvor ihre Zielgruppe. Software für Arztpraxen etwa, die ein kleiner Anbieter heute noch vorwiegend lokal vermarktet, lässt sich über die Cloud einer deutlich größeren Nutzerzahl zur Verfügung stellen. Die großen Software-Anbieter wiederum können endlich der Kopier-Problematik wirkungsvoll begegnen. Abrechnungen nach Account, Zeit oder Projekt schaffen dieses alte Problem endgültig aus der Welt.

Reseller und Systemhäuser sind dagegen gefährdeter. Ihre klassischen Vertriebsmodelle kollidieren häufig eklatant mit den monatlichen, nutzungsbasierten Abrechnungen der Cloud Computing-Anbieter. Völlig zu Recht erwarten die Endkunden hier ein größeres unternehmerisches und kaufmännisches Mitdenken. Die gute Nachricht: Noch immer sind Integrationsleistungen, Schulungen und Beratungen wertvolle Dienstleistungen, die Reseller in der Lieferkette unverzichtbar machen.

Doch welches Stück vom Kuchen verbleibt für die Distributoren? Bislang versäumen sie es teils sträflich, sich neu zu orientieren. Trotz hoher SaaS-Wachstumsraten ist ihr Blick weiterhin durch das traditionelle Geschäft getrübt. Dieses bietet ihnen aktuell noch die Möglichkeit, mit großen Umsatzzahlen zu jonglieren. Das klassische "Box-Moving"-Business bleibt folglich ihre Hauptdomäne. Zwar sehen viele verantwortliche Distributions-Manager das Risiko, von einer SaaS-Welle überrollt zu werden. Trotzdem unterlassen sie es, sich auf einen geänderten Markt einzustellen und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Stattdessen beschränken sie sich auf gelegentliche "Feigenblattaktionen", indem sie lediglich einfache SaaS-Lösungen anbieten, ohne jedoch weiteren Mehrwert zu generieren.

Der Ausweg wäre leicht: Viele Distributoren könnten mehr tun und sich als die Aggregatoren verschiedenster Software-/Cloud Computing-Anbieter aufschwingen. Auf diese Weise würden sie nicht die Zeichen der Zeit verpassen, sondern zum Sichern und Ausbauen des eigenen Marktes beitragen und den angeschlossenen Resellern das Leben erleichtern. Als Anbieter von Single-Sign-on-Lösungen hätten sie beträchtliche Möglichkeiten, verschiedene Cloud Computing-Lösungen zu konsolidieren und mit einem "Service aus einer Hand" bei den Nutzern zu punkten.

Die großen Gewinner könnten vor allem die Telekommunikationsanbieter sein. Für sie ist das "Everything-as-a-Service"-Geschäft (XaaS), bei dem eben "alles" als Service angeboten wird, in vielerlei Hinsicht eine logische Erweiterung. Schon heute arbeiten sie schließlich erfolgreich nach dem Pay-per-use Modell und haben entsprechend etablierte Prozesse und Vergütungssysteme. Für diese Gruppe von Akteuren ist Cloud Computing gerade dadurch das Upselling-Modell schlechthin. Ganz nebenbei haben sie zudem durch ihre Kundenbeziehungen und ihre Marktkraft eine gute Startposition, sich im Rennen um Anteile an den IT-Budgets zu behaupten.

Unterm Strich also wird sich das Klima für viele Marktteilnehmer erheblich verändern. Der Paradigmenwechsel zur Cloud ist unaufhaltsam und zwingt zu Veränderungen. Um sein Überleben muss trotzdem niemand fürchten, der die sich bietenden Chancen nutzt. Sämtliche Beteiligten sind allerdings gut beraten, über ihr Geschäftsmodell verstärkt nachzudenken." (ASG: ra)

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