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Kuratiertes Shoppen mit generativer KI


Wie GPT-basierte KI im (Online-)Handel eine neue Ära einleitet
Ein wichtiger Vorteil der generativen KI: Sie versteht Nuancen und Kontexte in einer Weise, wie es bestehende Suchmaschinen nicht tun


Von Emily Fridman, Head of Design and Innovation Customer Experience bei Cognizant

Zweifellos hat eine Texttransformations-KI wie ChatGPT (häufig auch generative KI genannt oder kurz Gen AI) das Potenzial, die Art und Weise, wie wir online und stationär einkaufen, in den kommenden ein bis zwei Jahren grundlegend zu verändern. Anstatt sich mühsam durch Artikelübersichten zu kämpfen, können Kunden sich auf ein persönlich zugeschnittenes interaktives Interface freuen, das sie schnell zum Ziel führt. In drei Bereichen ist das Potenzial von Gen AI besonders groß: in Handel, Marketing und Kundenservice. Welche Chancen entstehen daraus und wie kann der Handel sie bestmöglich nutzen?

1. Handel: Dialogorientiert und kuratiert
KI wird die Produktauswahl für Kunden grundsätzlich verändern:
Der Weg führt weg von einem strukturierten Ansatz über Produktart, Preis, Qualität, Anwendungsgebiet hin zu einem dialogorientierten Auswahlverfahren. Diesen Konversationsansatz machen sich Marken und Händler mithilfe von ChatBots, Messenger- und anderen Automationstechniken zunutze, um mit Kunden in einer eher natürlichen Art und Weise zu kommunizieren.

Die The Man Company beispielsweise, ein Online-Händler für Haut-, Haar-, Bart- und Pflegeprodukte für Männer, setzt beispielsweise auf einen KI-fähigen Chatbot in WhatsApp. Dieser schlägt der Kundschaft personalisierte Produktempfehlungen auf Grundlage ihrer Eingaben und Suchen vor. Mit diesem Ansatz war das Unternehmen in der Lage, die Konversionsraten innerhalb von sechs Monaten zu verdreifachen – ohne weitere Änderungen an laufenden Marketingkampagnen oder im Online-Shop.

Schon bald wird der Kaufvorschläge in der Einkaufs-App nicht mehr damit beginnen, dass Kunden ein Navigationsmenü durchackern oder sich durch Produktübersichten kämpfen. Stattdessen werden sie einem digitalen Tool einfach sagen, was sie gerne hätten. Das KI-gestützte Tool schlägt daraufhin das passende Produkt visuell ansprechend vor.

Der US-amerikanische Lebensmittellieferdienst Instacart führte zum Beispiel vor kurzem "Ask Instacart" ein. Die Lösung nutzt ChatGPT, um Kaufvorschläge in der Einkaufs-App zu generieren. Kunden können offene Fragen stellen wie "Welches gesunde Nudelgericht kann ich in 20 Minuten zubereiten?" und erhalten daraufhin nicht nur passende Rezepte, sondern auch eine Einkaufsliste mit allen benötigten Zutaten.

Ein weiteres Beispiel ist der Kauf von individuellen Haustierprodukten: Mithilfe KI-gestützter Suchwerkzeuge und Eingabeaufforderungen erstellt die KI aus Tausenden von Artikeln eine kurze Liste relevanter Produkte. Diese berücksichtigt als Grundlage die Rasse, Größe und Allergien des Haustiers und bezieht auch den Preis, die Verfügbarkeit und den Lieferort mit ein. Kund:innen ersparen sich damit den nervigen Abgleich von Inhaltsstoffen und Allergenen, um das richtige Produkt für ihr Haustier zu finden.

Ein wichtiger Vorteil der generativen KI: Sie versteht Nuancen und Kontexte in einer Weise, wie es bestehende Suchmaschinen nicht tun. Bei einem bisher typischen Online-Einkauf würden Kund:innen beispielsweise die Suchfunktion oder das Navigationsmenü des Einzelhändlers nutzen, um sich die Bademoden-Kollektion anzusehen. Das Tool würde alle relevanten Produkte anzeigen, die sich dann nach Preis, Farbe, Größe, Stil oder anderen Merkmalen filtern lassen. Es handelt sich hierbei um eine aggregierte Zusammenstellung – das bedeutet, die Kundin oder der Kunde erhält eine Sammlung aller passenden Produkte und kann sich dann die gewünschte Ware aussuchen. Generative KI geht zielgerichteter vor: Das Tool ist beispielsweise in der Lage, Suchanfragen mit spezifischen Bedürfnisse zu verstehen, etwa "Suche nach einem einteiligen Schwimmanzug mit Ärmeln für einen Surfurlaub auf Hawaii".

Generative KI geht aber noch weiter: Sie integriert bekannte Kundendaten und frühere Käufe, um die Ergebnisse zu verfeinern. Die Erkenntnisse aus der aktuellen Suche werden dann auch auf künftige Einkaufserlebnisse angewandt. Das bedeutet, die Nuancen fließen in die neuen Suchergebnisse ein. Kehrt der Kunde in der nächsten Saison auf die Website zurück, erkennt das Tool, dass die frühere Suche nach einem Schwimmanzug mit Ärmeln auf einem bestimmten, einmaligen Bedarf und nicht auf einer allgemeinen Präferenz beruhte. Er schlägt dem Kunden also nicht immer wieder die gleichen Sachen vor, insbesondere, wenn er sie schon gekauft hat. Nicht zuletzt kann eine KI kann den Einkauf auch "ansehnlicher" gestalten: So kündigte Google kürzlich in den USA eine virtuelle Anprobefunktion für ausgewählte Damenoberteile der Marken H&M, Anthropologie, Everlane und Loft an. Das Unternehmen setzt dafür eine KI ein, die Artikel virtuell an echten Modellen mit verschiedenen Konfektionsgrößen präsentiert. Kunden sind so in der Lage, sich ein Bild davon zu machen, wie die Kleidungsstücke an einer Person ihrer Größe und Statur aussehen.

2. Marketing: Echte 1-zu-1-Dialog-Kampagnen
Einer der häufigsten Anwendungsfälle generativer KI ist die Erstellung von Newslettern, E-Mails und Social-Media-Posts beinahe in Echtzeit. Aber es geht dabei weniger um die Arbeitserleichterung bei der Texterstellung (die gibt es natürlich auch). Der größere Mehrwert liegt anderswo: Einzelhändler können Inhalte mit Kundendaten kombinieren und so eine hochgradig relevante und personalisierte Kundenkommunikation generieren. Generative KI ermöglicht echte One-to-One-Kampagnen, indem sie Bilder, Produktbeschreibungen, Werbetexte, Social-Media-Inhalte und andere schriftliche oder kreative Inhalte erstellt, die auf jeden einzelnen Empfänger perfekt zugeschnitten sind.

Coca-Cola hat vor Kurzem bekanntgegeben, DALL-E- und ChatGPT-Technologie von OpenAI einzusetzen, um "Geschäftsabläufe zu verbessern". Was das genau bedeutet, ließ Coca-Cola nicht verlauten. Es ist aber wahrscheinlich, dass der Fokus auf der Personalisierung von Marketingkampagnen liegen wird. Darunter fallen beispielsweise hyper-personalisierte Social-Media-Posts oder digitale Anzeigen. Die können mithilfe von Kundendaten ermitteln, welches Produkt beworben werden soll, dann in Sekundenschnelle Bilder und weiterführende Informationen zu diesem Produkt erstellen und einen individuellen Aufruf zum Handeln generieren. So hätte das Unternehmen beispielsweise die Möglichkeit, gezielt vor Büroschluss digitale Anzeigen für langjährige Cola-light-Konsumenten auszuspielen, um sie daran zu erinnern, noch eine Coke für den Nachhauseweg mitzunehmen.

ChatGPT hält auch Einzug in Produktbeschreibungen und -bewertungen. So gab Amazon kürzlich bekannt, mit generativer KI zu experimentieren, um Produktbewertungen zu analysieren und zusammenzufassen. Ziel ist es, die Zeit zu reduzieren, die Käufer mit dem Durchsuchen von Bewertungen verbringen, um manuell die Vor- und Nachteile jedes Produkts zu ermitteln.

3. Kundenservice: Support erweitern und verbessern
Zwei offensichtliche Anwendungsfälle für generative KI im Kundenservice sind die Entwicklung sogenannter Co-Pilot-Tools für Service-Dienstleister sowie Sales-Enablement-Tools für Mitarbeitende in stationären Geschäften. Hier ergänzt und erweitert die generative KI das bestehende Toolset der Servicemitarbeitenden. KI-gestützte Tools können beispielsweise genutzt werden, um alle relevanten Kundendaten abzurufen und die nächstbesten Aktionen oder Produktempfehlungen anzubieten. Ebenso ist es möglich, die Technologie für Weiterbildungen und Schulungen einzusetzen. Hierbei erzeugt die KI reale Szenarien für die häufigsten Servicesituationen und zeigt Beschäftigten, wie sie idealer Weise reagieren sollten. Auf diese Weise erlaubt der Einsatz generativer KI Servicemitarbeitenden, einen schnelleren und präziseren Service zu bieten. Davon profitieren nicht nur die Kunden: Neben einer gestiegenen Kundenzufriedenheit und -loyalität verbessert sich zudem die Arbeitszufriedenheit im Service selbst und verringert die Fluktuation.

Aber KI kann noch mehr. So ist es beispielsweise möglich, den Tonfall eines Kunden zu analysieren, um Antworten und Aktionen entsprechend anzupassen. Erkennt ein KI-fähiges Tool etwa Frustration nach einer langen Wartezeit, ist es in der Lage, den Servicemitarbeitenden aufzufordern, den Kunden zu kontaktieren, sobald das Problem gelöst ist oder weitere Informationen verfügbar sind.

Auch der Selfservice ist ein Bereich, der sich mithilfe generativer KI verändern wird. Kunden können etwa bei einem Unterhaltungselektronikhändler nach der spezifischen Modellnummer eines in der Vergangenheit gekauften Artikels fragen, das Benutzerhandbuch als PDF anfordern oder den Garantiestatus überprüfen (ohne selbst nach Nummern, Modellen oder Revisionen suchen zu müssen). Das Service-Tool kann zudem ähnliche Produkte als Ersatz für den Artikel oder Optionen für eine Reparatur empfehlen.

Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen
Die Einführung generativer KI im Retail-Bereich wird eine Kettenreaktion auslösen. Um mitzuhalten, müssen Unternehmen künftig umdenken – von der Datenspeicherung bis hin zur Nutzung ihrer physischen Räumlichkeiten. Sie müssen eine umfassende und vernetzte Strategie entwickeln, die nicht nur einen bestimmten generativen KI-Nutzungsfall ermöglicht, sondern auch die weiteren Auswirkungen auf das Unternehmen, seine Mitarbeitenden und das Kundenerlebnis berücksichtigt.

Folgende Aspekte sollten sie dabei berücksichtigen:

>> Große Datenmengen:
Personalisierte Kampagnen (und bis zu einem gewissen Grad auch Co-Pilot-Tools) generieren eine Datenmenge, für deren Verwaltung die Systeme und Teams im Handel oftmals nicht gerüstet sind. KI-gestützte Tools sollten aber direkt in die Datenstrategie integriert werden, auch um Datensicherheit, Datenschutz und Governance zu gewährleisten. Darüber hinaus müssen Mitarbeitende entsprechend geschult werden, um die generierten Daten in verwertbare und wertvolle Erkenntnisse und Aktionen zu verwandeln.

>> Neue Rollen für stationäre Shops: Der Einsatz generativer KI beschleunigt die Verlagerung auf digitale Kanäle weiter und verändert die Rolle stationärer Shops innerhalb der Buyers Journey. Einzelhändler sollten eruieren, wie sie die wertvollen physischen Assets angesichts des Einkaufsverhaltens und der Vorlieben der Verbraucher nutzen können. So könnten sie erwägen, das Geschäft so zu gestalten, dass es mehr Funktionen erfüllt: Ausstellungs- und Showroom, Lager, Abholstelle und/oder als Umtausch- oder Rückgabezentrum.

>> Beschleunigender Wandel: Die rasche Einführung generativer KI-Tools beschleunigt den Wandel. Das setzt diejenigen Händler unter Druck, die gerade noch dabei sind, Datenkapazitäten aufzubauen und ihre digitalen Projekte umzusetzen. Die kommenden Jahre sind für Unternehmen kritisch: Sie müssen Initiativen so entwickeln und umsetzen, dass sie nicht nur die Kundenerwartungen erfüllen, sondern auch die Unternehmensrentabilität sicherstellen.

>> Gegenreaktion der Verbraucher: Der Einsatz von generativer KI ist noch immer experimentell und rechtlich nicht abschließend geklärt. So hat sich beispielsweise die Nutzung virtueller Modelle in der Modebranche – anstelle von Fotografien echter Menschen – teilweise bereits als problematisch erwiesen. Für Unternehmen ist es wichtig, in diesem Bereich zu experimentieren. Sie müssen dabei aber Datenschutz- und Sicherheitsstandards sowie soziale Normen berücksichtigen, um Verbraucher nicht vor den Kopf zu stoßen oder zu überfordern.

Führungsrolle übernehmen
Mit dem Aufkommen und der rasanten Entwicklung der generativen KI steht die Retail-Branche vor einer Revolution. Die Technologie erlaubt eine bisher unerreichte Personalisierung und Optimierung der Buyers Journey und damit auch enorme Umsatzsteigerungen.

Gleichzeitig muss die Branche darauf achten, wie und wo sie generative KI einsetzt. Die Technologie soll nicht die menschliche Interaktion ersetzen, sondern die persönliche Bindung durch schnelleren Service, neue Funktionen und personalisierte Angebote stärken.

Während Marken und Unternehmen generative KI erforschen und damit experimentieren, ist es entscheidend, dass Händler die Technologie kontrolliert einsetzen und sich weiterhin auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kundschaft konzentrieren. Die wirklichen Vorreiter dieser Retail-Revolution werden diejenigen sein, die die Technologie so nutzen, dass Kund:innen die Mehrwerte positiv "erfahren" und sich gut dabei fühlen. An der Spitze dieses Wandels werden die Unternehmen stehen, die ihre Kund:innen motivieren und inspirieren, sich auf die KI einzulassen und sie gewinnbringend zu nutzen.

Über Emily Fridman
Emily Fridman ist Head of Design and Innovation Customer Experience bei Cognizant. Sie ist eine strategische und konzeptionelle Führungspersönlichkeit mit einer Leidenschaft für die Gestaltung der Schnittstelle zwischen Design und neuen Technologien. Ihr Schwerpunkt: die CX-Transformation durch generative KI, IOT und Spatial Computing in digitalen und physischen Umgebungen voranzutreiben. (Cognizant: ra)

eingetragen: 03.11.23
Newsletterlauf: 08.12.23

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