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Ungenutztes Potenzial in Shared Services


Derzeit konsolidieren und zentralisieren Unternehmen in rund 4.000 Shared Service Center weltweit ihre Dienstleistungsprozesse
Die meisten SSC stellen gegenwärtig keine eigenständigen Gesellschaften dar, sondern werden als Cost Center oder Profit Center einer sogenannten Legal Entity zugeordnet

(04.10.11) - Shared Services Center (SSC) liegen nach wie vor im Trend. Aber in punkto Kosten und Prozessabläufen können viele Unternehmen noch etwas tun. Tom Bangemann, Vice President Business Transformation des weltweit agierenden Beratungsunternehmens The Hackett Group, sieht noch viele Chance, die noch ungenutzt sind.

Derzeit konsolidieren und zentralisieren Unternehmen in rund 4.000 Shared Service Center (SSC) weltweit ihre Dienstleistungsprozesse. Davon existieren rund 170 in Deutschland, 1200 in Westeuropa und ungefähr 500 in Osteuropa. Was die geografische Verteilung der SSC betrifft, ist eine zunehmende Verlagerung von Europa in anderen Regionen der Welt zu beobachten. So sind in Indien aktuell über 500 eingerichtet, in der Volksrepublik China befinden sich rund 100 und auf den Philippinen sind es ca.130 Einheiten.

Primäraufgaben bleiben traditionell
Nicht nur der geographische Standort sondern auch der organisatorische Ansatz hat sich verändert. Die meisten SSC stellen gegenwärtig keine eigenständigen Gesellschaften dar, sondern werden als Cost Center oder Profit Center einer sogenannten Legal Entity zugeordnet. "Dies hat historische Wurzeln", erläutert Tom Bangemann. "Bevorzugt wurden nämlich Organisationen, die regional oder landesbezogen zusammengefasst sind. Das war meistens der Fall beim Aufbau einer neuen Filiale in Osteuropa. Auch in Deutschland finden sich in der Regel solche Cost Center, die funktional aufgestellt sind und innerhalb der Finanzfunktionen bestimmte Aktivitäten bündeln. Global operierende Einheiten sind heute noch relativ selten zu finden, liegen aber dennoch hoch im Kurs und nehmen aufgrund des Globalisierungsdrucks zu."

Primäre Aufgabe der SSC ist die Minimierung der Kosten für Löhne, Infrastruktur, Technik und Gebäude. Unternehmen, die bereits SSC einsetzen, besitzen ungefähr zwei gleich effektive Hebel, um Kosten zu sparen: einerseits die Lohnkostenarbitrage, andererseits die Produktivitätssteigerung. Die meisten der heutigen SSC-Betreiber konsolidieren zunächst ihre Aktivitäten, um mehr Transparenz in die Abläufe sowie in die Kostenstruktur zu bringen. Wenn sämtliche Potenziale durch Shared Services Center ausgeschöpft sind, wird nach einer weiteren Optimierung gesucht. Dies führt in der Praxis zum Schema: erst Konsolidieren, dann Standardisieren.

Dabei stellt sich zunächst die Frage nach dem richtigen Vorgehen: Erst die Standardisierung der Abläufe oder erst die Errichtung eines SSC. "Wir wissen, dass etwa zwei Drittel aller Betreiber zuerst konsolidiert haben und ein Drittel hat zuerst ein SSC errichtet", berichtet Bangemann. "Beide Ansätze sind durchaus möglich. Ein Beispiel dafür sind SAP-Projekte, die der Standardisierung dienen, aber aufgrund ihrer Dauer manche Unternehmen dazu bewegen, vorab ein SSC zu eröffnen. Welchem Ansatz den Vorzug gewährt wird, bleibt dem Unternehmen selbst überlassen."

Niedrige Kosten bringen Vorteile
Ferner sind komplexe Hierarchien und lange Berichtslinien in den Shared Services Centern kaum üblich. In der Regel berichtet der Leiter des SSC an die Shared-Services-Organisation, deren Leiter referierte wiederum direkt an den Finanzvorstand (Chief Financial Officer). "In großen Organisationen ist meistens ein weiterer operativer Empfänger dazwischengeschaltet, beispielsweise der Leiter des Rechnungswesens. Das soll eine effektivere Konsolidierung der Aufgaben ermöglichen", so SSC-Experte Bangemann.

Einen weiteren relevanten Nutzen sieht Tom Bangemann in der Gewährleistung von Transparenz und Compliance. Aus Unternehmenssicht stellt nämlich die Kontrolle von diversen Prozessen auch ohne signifikanten Effizienzgewinn einen ausschlaggebenden Beweggrund für die Zentralisierung von Aufgaben dar. Ein Problem dabei sind lediglich die fehlenden Fachleute vor Ort. Folglich ist eine Kontrolle der Abläufe nur bedingt möglich.

Potenzial der SSC nicht ausgeschöpft
Laut Bangemann stecken die meisten Shared Services Center noch voller Potenziale. "Unternehmen, die bereits über SSC verfügen, schöpfen unseres Erachtens nicht sämtliche Möglichkeiten aus. Nehmen wir unsere Kriterien zur Grundlage, nach denen wir die Kostenstrukturen und die Effektivität von SSC bewerten, bedeutet die Klassifizierung ‚World Class’, dass diese Organisationen nicht nur zu den 25 Prozent der weltweit kostengünstigsten, sondern auch zu den 25 Prozent effektivsten gehören."

Laut Bangemann gibt es bei deutschen Unternehmen in den Finanzfunktionen immer noch ein Kostenoptimierungspotenzial von häufig 40 bis 60 Prozent – sogar bei DAX-Konzernen. Davon ist ungefähr die Hälfte in der Lohnkostenarbitrage zu suchen. Die andere Hälfte ist in der Automatisierung und Produktivitätssteigerung zu finden. Mit einer Standortverlagerung – beispielsweise nach Osteuropa – lassen sich bereits 50 bis 60 Prozent der Lohnkosten sparen, in manchen Ländern der Region - bspw. Lettland - sind es sogar 70 Prozent. "Gesamt betrachtet ist Deutschland ist in bezug auf die Nutzung dieses Modells bereits als World Class einzustufen", erläutert Bangemann. "Jedoch laufen die Offshoring-Prozesse nicht optimal. Da die Arbeitsplätze häufig zwar verlagert, jedoch nicht optimiert werden. Ferner geht die Automatisierung der Prozesse in einigen Fällen mit einem höheren Grad als in anderen Regionen der Welt einher. Dies ist auf die hohe und zum Teil bessere technische Ausstattung der in Deutschland ansässigen Unternehmen zurück zuführen."

Shared Services und die Grenzen
Laut Bangemann lässt sich nicht alles zentralisieren. Es ist auch nicht zielführend. Die internationalen Rahmenbedingungen und die Einführung von neuen Technologien werden jedoch eine weitere Standardisierung in den kommenden Jahren in einigen Bereichen mit sich bringen.

"Bei Shared Services sprechen wir von einem ‚Central-local-Split’, der den prozentualen Anteil der Prozessbestandteile beschreibt, die sich zentral oder lokal betreiben lassen", so der SSC-Experte. "Transaktionslastige Prozesse lassen sich zu ca. 90Prozent verlagern. Die Budgetierung ist beispielsweise nur bedingt zu verlagern, da die Iterationen mit den Einheiten vor Ort erfolgen müssen." Die Verlagerung von Aufgaben ist im Bereich Human Resources und Einkauf analog zum Finanz- und Rechnungswesen möglich. Im IT-Bereich stellt sich die Situation ganz anders dar: Hier wären laut Bangemann 99 Prozent konsolidierbar. Ein starker Trend ist das Aufsetzen von multi-funktionalen SSC, da das Aufteilen des Modells in viele SSC für einzelne Funktionen, Regionen und Divisionen weniger effizient ist als ein einheitliches Governance-Modell. Zurzeit entstehen sogenannte Global Business Service-Einheiten, die die traditionellen SSC ablösen werden. Während im Back Office für Finance, HR und Einkauf immer noch rund 90 Prozent der Abläufe nur intern konsolidiert werden, ist bei der IT das Outsourcing an externe Dienstleister klar der Trend. Aktuell sind bereits über zehn Prozent aller SSC outgesourct.

Informationen zum Autor:
Tom Bangemann ist als Vice President Business Transformation für das weltweit agierende Beratungsunternehmen The Hackett Group tätig. Als Shared-Services-Spezialist hat er bereits viele Projekte rundum Shared Services unter anderem für DAX-Konzerne geleitet. Zudem ist er als Sprecher auf zahlreichen Fachkonferenzen unterwegs. 2010 wurde er vom "Shared Services & Outsourcing Network", einer internationalen Community mit über 35.000 Shared-Services-Experten, zum "Thought Leader of the Year" ernannt.
(The Hackett Group: ra)

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